Sprache und Kommunikation

Wenn man drei Jahre in Japan und noch dazu auf dem Lande gelebt hat, dann glaubt jeder Neuankömmling, daß man genau die richtige Person wäre, die einem ein paar Ratschläge erteilen kann, wie man die japanische Sprache am besten erlernen kann. Ich glaube, daß die wichtigsten Voraussetzungen, um die japanische Sprache perfekt zu erlernen, die folgenden sind. Man muß von japanischen Eltern geboren sein und sein ganzes Leben in Japan verbracht haben. Andere Möglichkeiten zur Lösung des Kommunikationsproblems wären zum Beispiel, daß man in Roppongi in Tokyo lebt, in die internationalen Supermärkte zum Einkaufen geht und seinen Urlaub mit anderen Ausländern zusammen in Guam verbringt. Dann lernt man sicher ein sehr gutes Englisch.

Wenn man wie wir auf dem Lande lebt, ohne die Möglichkeit Deutsch zu sprechen, so sollte man annehmen, daß man gezwungen ist, japanisch zu sprechen. Die Wirklichkeit jedoch sieht anders aus.

Da nahezu alle Japaner Englisch lernen oder praktizieren wollen, ist die Antwort auf eine in Japanisch von einem Ausländer gestellte Frage zumeist Englisch. In wirkliche Schwierigkeiten kommt man gewöhnlich erst, wenn die Antwort in Japanisch gegeben wird.

Zu Beginn meines Aufenthaltes in Japan und nach einem doch – wie ich glaubte – guten Sprachkurs, welcher mir die Grundbegriffe dieser Sprache vermittelte, stürzte ich mich sogleich in das Abenteuer, diese Sprachkenntnisse zu erproben. Ich möchte einige der Geschichten, die ich dabei erlebte, nicht vorenthalten, weil sie recht zutreffend die Kommunikationsprobleme darstellen.

Immer wieder neue Überraschungen erlebt man, wenn man eine Frage in Japanisch stellt. Oft ist nur ein erstautens „ee?!“ die Antwort, begleitet von einem zischenden Laut, welchen die durch die Zähne eingeatmete Luft verursacht. Für viele Japaner ist es unvorstellbar, daß ein Gaijin – wie in Japan die Ausländer genannt werden – auch nur einige wenige Worte dieser Sprache beherrscht. Eine andere Antwort auf eine in fließendem Japanisch gestellte Frage kann auch sein: Sorry, I don’t understand English. Diese Antworten lassen das Selbstvertrauen in einem bestimmt nicht wachsen, Niederschmetternd wird es jedoch, wenn man in einem Restaurant statt des bestellten Curry Rice eine Soft Ice Cream bekommt.

Ein anderes Problem sind die Antworten auf in westlichen Ländern übliche Negativfragen. Ein Japaner wird etwa die Frage: „Haben Sie keine Bananen?“ mit „Ja, wir haben keine Bananen.“ beantworten. Nach drei Jahren in Japan stelle ich keine Negativfragen mehr. Auch erlebte ich immer wieder, daß etwa die Frage: „Wollen Sie Kaffee oder Tee?“ mit einem klaren „Ja“ beantwortet wurde. Ebenfalls interessant zu erwähnen ist das Wörtlichnehmen von dahingesagten Phrasen und das völlige Unverständnis für zumindest westliche Witze, welches ich in Japan antraf.

Ein Erlebnis, welches das Kommunikationsproblem auch treffend beschreibt, hatte ich einmal in einem Restaurant, als ich einen Tee bestellte. Als der Tee gebracht wurde, bemerkte ich, daß nur eine Scheibe Zitrone dabei war, und ich sagte zu der Bedienung in Englisch: „Milk too please.“, worauf die Bedienung den Tee zu meinem Erstaunen wieder mitnahm und mir zwei Gläser Milch brachte.

Doch nicht nur westliche Menschen haben mit manchen Antworten von Japanern ihre Schwierigkeiten, auch viele Japaner stehen manchen Antworten westlicher Menschen fassungslos gegenüber.

Insbesondere ein klares und deutliches „Nein“ auf eine Frage ohne begleitende Erklärungen und Entschuldigungen ist für einen Japaner eine sehr rüde und unhöfliche Antwort. Ebenso selten hört man das Wort „falsch“ in Japan. Meist wird es mit Worten wie „ein bißchen anders“ abschwächend umschrieben.

In der japanischen Sprache gibt es drei Arten von Schriften:

Das Hiragana, das Katakana und die aus dem chinesischen stammenden Kanjis. Hiragana und Katakana sind Lautsilbenschriften, wobei das Katakana für alle Fremwörter verwendet wird. Da die japanische Sprache eine Unmenge von amerikanischen und auch einige deutsche Worte enthält, ist das Katakana eine recht oft benutzte Schreibweise. Leider ist sie auch der Ursprung des sogenannten „Jenglisch“ oder Katakana Englisch, welches durch die völlig falsche Aussprache vieler englischer Worte gekennzeichnet ist. Worte wie „papas“ für purpose oder „toritomento“ für treatment sind wohl nur dem japaner-fahrenen Ausländer verständlich.

Insgesamt gibt es etwa 27 Symbole im Hiragana und im Katakana, welche man beherrschten sollte, um zumindest das Wichtigste aus Speisekarten und Ähnlichem herauslesen zu können.

In diesem Zusammenhang möchte ich gerne eine Vorstellung ausräumen, welche schon sehr vielen Ausländern in Japan einige Probleme bereitet hat. Nämlich die Vorstellung, mit Englisch seinen Weg in Japan ohne Probleme zu finden. Diese Vorstellung ist schlicht falsch und hat bisher meiner Erfahrung nach nur zu einer gewissen Selbstüberschätzung einiger Besucher geführt.

Ich will mit alledem nicht sagen, daß es unmöglich wäre, für einen Ausländer Japanisch zu erlernen. Daß es dies nicht ist, zeigt doch das Beispiel einiger Ausländer. Es ist jedoch eine sehr frustrierende Erfahrung. Eigentlich gibt es nur zwei Zeitpunkte, zu denen man nicht frustriert ist. Dies ist zum einen die Zeit, wenn man gerade in Japan angekommen ist und absolut nichts versteht und zum anderen die Zeit, wenn man schließlich alles versteht und sich fließend unterhalten kann. Die 30 Jahre zwischen diesen Zeitpunkten stellen jedoch eine erhebliche Frustration dar.